Ein Familienbetrieb von anno dazumal
Im Interview (11/2015): Mit Hugo Schmidbaurs († 2022) Vater erhielt der Gasthof „Zur Krone“ seinen heutigen Rufnamen. Tochter Gabriele Domagalski wuchs im traditionellen Familienbetrieb auf.
Frau Domagalski, Herr Schmidbaur, wie weit lässt sich die Geschichte des Gasthauses zurückverfolgen?
Gabriele Domagalski: In alten Aufzeichnungen steht geschrieben, dass Xaver Berchtenbreiter die Stegwirtssölde einst gekauft haben soll. Da er selbst im Jahr 1756 geboren wurde, muss der Gasthof zwischen 1750 und 1800 als solcher übernommen worden sein.
Und dieser Herr Berchtenbreiter ist einer Ihrer Vorfahren?
Gabriele Domagalski: Er war verheiratet mit Anna Maria Echinger von Ostendorf, geborene Gumpp von Blankenburg. Ihr Ziehsohn und Neffe, Franz Xaver Gumpp, heiratete Katharina Gumpp. Anschließend lässt sich die Familiengeschichte der Gumpps weiterverfolgen bis zu meiner Oma, Veronika Gumpp. Und diese heiratete 1922 Franz Schmidbaur, einen gelernten Metzger als Allmannshofen. Sie bekommen die Kinder Anton, Franz, Ernst und meinen Vater Hugo.
Das heißt, Ihre Oma war die Gasthof-Besitzerin?
Gabriele Domagalski: Meine Oma war eine waschechte Wirtin, die wusste wie sie ihren Mann zu stehen hatte. Und sie war eine begnadete Köchin. Von meiner Oma stammen auch noch viele Rezepte von bayerischen Gerichten, die bis heute noch ab und an im Gasthaus serviert werden.
Wissen Sie auch, wie sich der Gasthof in seiner äußeren Form entwickelt hat?
Hugo Schmidbaur: Ganz früher gab es eine Brauerei. Im Jahr 1926 wurde diese abgerissen und der Saal, der dem heutigen Saal stark ähnelt, wurde errichtet. Im Jahr 1953 wurde dann das alte Haupthaus abgerissen und neugebaut. Mit dem Neubau haben wir auch das Haus höher gesetzt, um vor dem Hochwasser sicher zu sein. Vor der Begradigung der Schmutter kam es damals regelmäßig zu Überschwemmungen, die bis hinter das Grundstück gereicht haben. Im Jahr 1974 folgte dann der Anbau. Auch der Biergarten wird von den Gästen sehr geschätzt - besonders auch wegen der uralten Kastanienbäume, die bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts dort wachsen.
War „der Schmidbaur“ schon immer eine Gastwirtschaft?
Hugo Schmidbaur: Die Speisenwirtschaft haben meine Frau Irmgard und ich mit der Übernahme des Gasthofes im Jahr 1960 ausgebaut. Ab circa 1968 haben wir Mittagessen angeboten - also eine Speisekarte eingeführt und nach Bestellung gekocht, so wie es heute auch in Restaurants üblich ist. Damals wie heute waren der Schwäbische Rostbraten oder auch das Cordon bleu sehr beliebt. Beide Klassiker werden auch heute noch oft bestellt. Früher hatten wir noch mehr Fremdenzimmer, die durch die Anbindung an die Bundesstraße auch immer ausgebucht waren. Bis circa 1985 hatten wir eine eigene Landwirtschaft. Auch mit Tierhaltung und eigener Hausschlachtung. Wir haben das aufgegeben, um uns stärker auf die Gastwirtschaft zu konzentrieren.
Und Sie sind gelernter Gastronom, Koch oder Landwirt?
Hugo Schmidbaur: Eigentlich habe ich Schreiner gelernt. Die ersten Möbel im Gastraum habe ich selbst gedrechselt und mit Profilen ausgestattet. Diese Original-Bänke gibt es heute noch. Dann habe ich bei der Handwerkskammer eine Koch- und eine Ausbilderprüfung abgelegt.
Und wie hat sich das Angebot im Gasthof verändert?
Hugo Schmidbaur: Seit ich denken kann, war der Gasthof ein Vereinslokal und ein Ort, an dem Theater gespielt wird. Früher wie heute waren hier viele Vereine zu Gast, noch immer haben die Schützen ihr Vereinsheim hier im Haus. Eine Zeit lang kamen ganze Busse nur zum Tanztee zu uns und wir veranstalteten viele Faschingsbälle während der Faschingszeit. Sogar die Kapelle vom Stadttheater Augsburg hat bei uns gespielt. Weniger des Geldes wegen, sondern viel mehr wegen der guten Brotzeit.
War „der Schmidbaur“ schon immer die einzige Gastwirtschaft im Ort?
Hugo Schmidbaur: In den 60er und 70er Jahren gab es viele Lokale in Westendorf.
Gabriele Domagalski: Ich denke, dass wir aufgrund der Größe und Ausstattung des Hauses überlebt haben und auch, weil wir ein Familienbetrieb waren, bei dem immer alle mitgeholfen haben. Auch die Bedienungen und das Küchenpersonal aus der Nachbarschaft und dem Ort arbeiteten teilweise bis zu 30 Jahre bei uns. Vor allem Frauen im Ort konnten dort so etwas Geld verdienen. Von ihnen konnte ich viel lernen.
Das heißt, Sie sind förmlich in der Gaststube aufgewachsen?
Gabriele Domagalski: Eher in der Küche. Zur damaligen Zeit gab es ja noch kaum Fernsehen und auch kein Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche wie im heutigen Sinn. Es war einfach üblich, dass man nach der Schule und den Hausaufgaben im Betrieb mitangepackt hat. Die Arbeit in der Gastwirtschaft war schon immer eine Familienangelegenheit für meine Geschwister und mich. Wir halfen nicht nur mit, sondern waren auch mitverantwortlich. Als Kind zum Beispiel um Besorgungen im Ort zu machen oder auch das Essen auszutragen – früher war zum Beispiel der Pfarrer nicht bei dem Mahl nach den Beerdigungen mit dabei, sondern das Essen wurde ihm samt Kaffee eingepackt und ich habe es ihm dann in den Pfarrhof gebracht. Später habe ich zunächst die Hauswirtschaftsschule und dann die Fachschule besucht und habe so auch alle Aufgabenbereiche der Gastronomie kennengelernt.
Das heißt Sie kennen auch jeden Gast?
Gabriele Domagalski: Nicht alle, aber natürlich bestimmt sehr viele. In Erinnerung ist mir speziell ein Ehepaar, das seit 1974 jeden Sonntag zum Essen kommt. Durch die Gespräche mit unseren Gästen haben wir natürlich auch immer viel über das Geschehen im Ort und auch darüber hinaus erfahren.
Erinnern Sie sich noch an den einen oder anderen besonderen Gast?
Gabriele Domagalski: Erinnern kann ich mich etwa, als Fred Rai samt Pferd bei einer Hochzeit erschienen ist. Doch auch zu Gästen aus Holland und auch aus Kassel hat sich eine gute Freundschaft entwickelt, da sie in meiner Jugend jedes Jahr im Urlaub bei uns waren bzw. auf ihrer Fahrt in den Urlaub bei uns abgestiegen sind. Vielleicht waren auch sie es, die das Speisenangebot ein Stück weit erweitert und reformiert haben. Sie haben schon damals abends warm gegessen, was zu dieser Zeit bei uns noch nicht üblich war.
Was war für Sie das größte Highlight?
Hugo Schmidbaur: Eine besondere Ehre war es, wenn Prinz Ludwig von Bayern, später Prinz Luitpold von Bayern bei seinem jährlichen Wirtebesuch bei uns zu Gast war. Seit 1932 wird das Bier von der Brauerei Kaltenberg bezogen. Den Zuschlag bekamen sie einst, wegen der eigenen Mälzerei. Im Zeitungsartikel zum 50-jährigen Jubiläum im Jahr 1983 titulierte der Prinz die Gastwirtschaft als „Musterprojekt“, denn es sei besonders wichtig, dass eine Gemeinde zu „ihrem Wirt“ stehe. Zuletzt war der Prinz bei der Feier des 50. Geburtstags meines Sohnes Werner und meinem 85. Geburtstag im Jahr 2014 zu Gast.
Gabriele Domagalski: Im Zeitungsbericht zum 50-jährigen Jubiläum zeigt sich einmal mehr, wie sehr die Gastwirtschaft ein Familienbetrieb war, denn damals schon wurden wir alle erwähnt. Dort heißt es: „Hugo Schmidbaur, seine Frau Irmgard, geborene Mayr aus Haunstetten, ihre beiden verheirateten Töchter Gabi und Monika, die drei Söhne Hugo, Werner und Gerhard sowie das Enkel-Trio Roland, Anja und Nina wurden mit offenkundiger Herzlichkeit begrüßt.“
Nur wenige Jahre nach diesem Event wurde die Gastwirtschaft überschrieben. Warum?
Gabriele Domagalski: Meine Mutter starb im Jahr 1991. Sie war die „Seele im Haus“ und war, wie meine Oma ebenfalls in der Küche tätig. Sie stand den Kochkünsten meiner Oma in nichts nach, denn bevor meine Eltern im Jahr 1959 geheiratet haben, hat sie schon in einer Augsburger Privatklinik gekocht. Nach ihrem Tod hat mein Bruder Werner die Gastwirtschaft im Jahr 1992 übernommen. Er hatte davor eine Kochlehre im Ratskeller in Augsburg gemacht und auch in anderen Restaurants gearbeitet. Bereits mit 27 Jahren hat er also den elterlichen Betrieb im Sinne meiner Eltern weitergeführt, konnte aber durch seine Ausbildung das Angebot der Speisen zeitgemäß erweitern und anpassen, wie etwa durch mediterrane Mittagsmenüs oder auch festliche Büffets.
Was ist denn typisch für das Angebot „beim Schmidbaur“?
Hugo Schmidbaur: Nach wie vor natürlich die gut-bürgerliche Küche mit unserer großen Auswahl an Pfannengerichten, aber auch Spezialitäten wie Wild oder Gansviertel zur Kirchweih.
Warum hat sich der eigentliche Name „Gasthof zur Krone“ nicht durchgesetzt?
Gabriele Domagalski: Das weiß ich nicht genau. Im Ort heißt es eigentlich nur „beim Schmidbaur“. Die älteren Leute, aber auch diejenigen, die schon lange in Westendorf ansässig sind, kennen uns aber auch unter dem Hofnamen „Stegwirt“, weil der Steg bei der damaligen Straßenführung nicht weit entfernt war.
Herr Hugo Schmidbaur starb im Jahr 2022.